Lehreraustauschprogramm Erasmus Plus – 2 Wochen am Helsinki Business College in Finnland
Im Rahmen des Erasmus Plus Mobilitätsprogramms konnte ich vom 26. Februar bis 09. März 2018 am Helsinki Business College in Finnland unterrichten und Einblicke ins finnische berufsbildende Schulsystem erhalten. Im Austausch unterrichtete meine finnische Kollegin Kaisu Luukka an unserer Schule BBS W1 Ludwigshafen.
Das Helsinki Business College ist eine private berufsbildende Schule in Helsinki, spezialisiert in den Bereichen Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Informationstechnik mit mehr als 2.500 Schülern.
Mein Einsatz erfolgte hierbei im betriebswirtschaftlichen QBA Programm (Vocational Qualification in Business and Administration). Dabei unterrichtete ich in den Fächern “Profitable Business Operations”, “On the Job Learning” und “Financial Studies”. Viele internationale Schülerinnen und Schüler besuchen diese Schulform. Der Unterricht findet dementsprechend in englischer Sprache statt (außer im Schulfach “Finnish Language”).
“Profitable Business Operations” und “On the Job Learning” sind sehr praxisorientierte Fächer, die auf den Inhalten des ersten Halbjahres aufbauen (wie beispielsweise “Financial Studies”). Die Schülerinnen und Schüler gründen hierbei in Teams fiktive Unternehmen und erstellen zunächst einen Business Plan. Unterstützt werden sie von Lehrern (Team-Teaching) und langjährigen Partnerunternehmen aus der Wirtschaft. Über einen Zeitraum von 12 Wochen wird in diesem Planspiel das erste Geschäftsjahr eines Start-UP-Unternehmens mit all seinen Heraausforderungen simuliert. Verantwortungen werden auf einzelne Personen übertragen und die Schülerinnen und Schüler können hierbei ihre erlernten betriebswirtschaftlichen Kenntnisse unter Beweis stellen. Zwei unterrichtende Lehrer überwachen, beraten und unterstützen die Schüler in den Prozessen. Zusätzlich übernimmt ein Schüler die Kontrollinstanz zur Prüfung von Rechnungen, Aufträgen, Umsatzsteuervoranmeldungen etc.
Basierend auf dem 70:20:10 Modell dominiert das informelle Lernen und die Schüler stellen sich den beruflichen Herausforderungen und Aufgaben, die sich aus der Unternehmensgründung ergeben. Während meiner Zeit organisierten die Schüler eine Verkaufsmesse und führten diese anschließend durch. Hierfur wurden Zielgruppen definiert, Kundenansprachen trainiert, Verkaufspakete geschnürt und entsprechende Verkaufsaufträge und Quittungen vorbereitet. Als Lehrer gestaltet man hierbei auch die Spielregeln mit, organisiert Kolleginnen, Kollegen, weitere Mitarbeiter und andere Schüler die als Käufer fungieren. Flexibilität, Kreativität und Improvisationstalent sind hierbei oft gefragt, um sich auf unterschiedlichste Bedingungen einzustellen. Da diese Fächer zu zweit unterrichtet werden, lassen sich Aufgaben auch sehr gut untereinander aufteilen. Die Schule stellt für Proben, Muster, Anreize, Gestaltung der Verkaufsstände, Poster, etc. Gelder zur Verfügung. Schön war zu beobachten, wie kreativ einige Gruppen an die Aufgabe herangetreten sind und welchen Aufwand sie betrieben haben, um sich von den anderen Verkaufsständen abzuheben (T-Shirts wurden angefertigt, Gewinnspiele durchgeführt und natürlich Proben verteilt). Einige Schüler waren so clever, Vorbestellungen für die Zukunft von den Kunden einzusammeln. Da das Budget der Käufer limitiert wurde, entstand ein Wettbewerb und Konkurrenzkampf der Schüler um die Gunst der Kunden zu werben. Da ich selbst schon auf Messen in meiner vorhergehenden Tätigkeit gearbeitet habe, fand ich viele Spielsituationen sehr realitätsbezogen und der Lerneffekt für Schüler ist von der Gestaltung eines Messestands, der Kundenansprache im Verkauf, der Generierung von Verkaufsaufträgen, der Durchführung von Bestellungen bis hin zur Stärkung der sozialen Kompetenzen, wie Kommunikationsfähigkeit oder Teamfähigkeit sehr vielfältig.
Die Bedingungen, unter denen Lehrer und Schüler am Helsinki Business College arbeiten sind meiner Meinung nach herrvorragend. Jeder Schüler erhält zu Beginn seiner Schulzeit kostenfrei ein Notebook und darf dieses nach erfolgreichem Abschluss behalten. Mittagessen wird für Schüler kostenfrei zur Verfügung gestellt. WLAN und schnelles Internet sind jederzeit verfügbar. Den Schülern stehen Arbeitsplätze, Aufenthaltsräume, aber auch Freizeitaktivitäten und ein Fitnesstudio (auch für Lehrer) zur Verfügung. Zusätzlich gibt es Nachhilfelehrer, Sozialarbeiter, Krankenschwestern und Psychologen, die von den Schülern aufgesucht werden können.
Jeder Lehrer hat einen eigenen Arbeitsplatz, ein Notebook wird zur Verfügung gestellt, das Mittagessen wird subventioniert und ist reichhaltig mit vegetarischen Angeboten für einen sehr günstigen Preis (3,90 €). Lehrer erhalten zu dem kostenfreie Lizenzen für Softwareprogramme, die im Unterricht verwendet werden (bpsw. Thinglink, Adobe Photoshop).
Der Unterricht findet über die digitale Lernplattform “Itslearning” statt, so dass kaum noch Ausdrucke und Kopien für Arbeitsmaterialen notwendig sind. Administrative Tätigkeiten, wie beispielsweise Anwesenheitslisten oder der Informationsaustausch mit Schülern findet über die Webschnittstelle “WILMA” statt. Bei Computer-Problemen steht ein schuleigener Help Desk zur Verfügung und kümmert sich umgehend um vorhandene Probleme.
Auch wenn es sich um eine private berufsbildende Schule handelt werden auch diese Schulen überwiegend aus öffentlichen Geldern von Staat und Kommune finanziert. Finnland ist hinter Schweden das Land mit dem höchsten Anteil öffentlicher Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Europa (Quelle: Statistisches Amt der Europäischen Union). Der Lehrerberuf hat eine hohe Anerkennung in der Gesellschaft. Mein Eindruck während des zweiwöchigen Aufenthalts war, dass Bildung in Finnland eine bedeutende Rolle einnnimmt und als wichtiges, zukunftsträchtiges Gut angesehen wird.
Der zweiwöchige Lehreraustausch war für mich eine herausragende Erfahrung, die mir neben der Verbesserung meiner englischen und (ein wenig) finnischen Sprachkenntnisse viele neue Eindrücke, Ideen und Anreize für meine Tätigkeit gebracht haben. Ich wurde hervorragend am Helsinki Business College aufgenommen, die Organisation war perfekt und ich hatte in meinem Unterricht sehr nette Schüler, die mir die Integration leicht machten. Zu dem bin ich nun Teil des Helsinki-Business-College-Lehrer-Floorball-Teams, wobei mein Verlust aufzufangen sein wird.
Ich bedanke mich bei allen Beteiligten herzlichst, diese Erfahrungen gemacht haben zu dürfen und kann meinen Kolleginnen und Kollegen dieses Austauschprogramm nur wärmstens weiterempfehlen.
Bastian Susenberger