Beatboxing im Bus Gemeinsamer Unterrichtsgang der Wirtschaft I und II zur Außenstelle Bad Bergzabern der Rheinpfalz
Ein Unterrichtsgang möglichst zu Beginn der 11. Klasse – besser bekannt unter dem Begriff „Wandertag“ – stand auf dem Programm. Aktuelle Printmedien sowie deren gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung sollte man laut Lehrplan kennen und analysieren können und so lag es nahe, den Kontakt zum größten regionalen Zeitungsverlag in Rheinland-Pfalz aufzunehmen und das Informative mit dem Sozialen zu verbinden. Gemeinsam mit einer HBF-Klasse in Begleitung von Frau Senger aus der Wirtschaft II machte sich die GY08a des Wirtschaftsgymnasiums der Wirtschaft I am 2. Oktober mit einem beauftragten Busunternehmen auf den Weg nach Bad Bergzabern. Dort angekommen, wurden wir vom dortigen Chefredakteur Robert Wilhelm in Empfang genommen und wanderten durch den Kurpark entlang der Hauptstraße des beschaulichen Kurstädtchen bis zum Sitz der Lokalredaktion, wo sich nun in zwei Durchgängen der fachliche Vortrag mit dem Thema „Wie funktioniert Zeitung?“ anschloss.
Herr Wilhelm erläuterte uns entsprechende Fachbegriffe rund um das Thema Zeitung und berichtete über die „Macher“ bzw. die Menschen, die es schaffen, tagtäglich bis morgens um 6 Uhr eine aktuelle Tageszeitung mit 240.000 Exemplaren fertigzustellen, damit über 700.000 Leser „ihre Rheinpfalz“ erhalten. Was verbirgt sich bspw. hinter solchen Begriffen wie Ressort, Bündel, Stammbücher, Distribution, Auflage, Redigieren, Presserecht, Verleger, Layout, Satz etc. Was ist ein Volontariat, wie sieht der Alltag eines Redakteurs aus und wie kommt er an seine Informationen? Was bewegt die Bürger und worüber möchten sie informiert werden? Was unterscheidet eine seriöse Tageszeitung von anderen Medien? Die multikulturelle Klasse von Frau Senger fragte aufgeweckt immer wieder nach und zwei Schüler bekundeten einige Tage später ihr Interesse an einem Praktikum bei der Rheinpfalz. Bevor die GY08a zu ihrer Redaktionsrunde kam, ging es zuvor noch in die knapp 700 Jahre alte Stadtmühle, die seit 1881 im Familienbesitz der Müller- und Winzerdynastie Augspurger ist. Diese verarbeitet noch heute auf traditionelle Weise mit Hilfe einer „klappernden Mühle am rauschenden Bach“ das regional angebaute Getreide und verkauft das Mehl vor Ort an Bäckereien. Herr Wilhelm hatte für uns kurzfristig eine Führung arrangiert und so erlebten wir bei diesem Ausflug noch einen regelrechten Gefahren-Parcours, der die sozialen und personalen Kompetenzen der Schüler auf unerwartete Weise förderte und mir beruhigend vor Augen führte: Ja, es gibt sie noch! Echte Gentlemänner und gelebte tradierte Werte. Es galt mit ingesamt 46 Menschen drei Stockwerke auf jahrhundertealten knarzenden, ächzenden Holztreppen zu bezwingen und auf engstem Raum den Prozess nachzuvollziehen wie aus Getreide schließlich Mehl wird. Die ängstlichen Aufschreie der jungen Damen mit modischem aber unsicherem Schuhwerk, weckten in den Jungs das Schützer-Gen. Starke Männerarme und hände wurden gereicht, Taschen getragen und beruhigende Worte gewispert, um das Gemüt zu beruhigen und gleichzeitig Vertrauen und ein kleines bisschen Nähe herzustellen. Schön, dachte ich. Es geht auch ohne Seilgarten oder Adventure-Trainer.
Leicht erschöpft von der wirkungsvollen Kurluft in Bad Bergzabern liefen wir zurück zu Herrn Ehmann, der uns mit seinem Bus auf dem Parkplatz schon erwartete. Wie eindrucksvoll jedoch die Rückfahrt dank seines Busmikrofons werden würde, konnte auch er nicht ahnen. Um die Stimmung aufzulockern, griffen sich Kevin und Yilmaz das Mikrofon und die bis dahin kaum benutzten Textkopien von Volksliedern, die ich gerne gemeinsam gesungen hätte. Dies scheiterte jedoch kläglich, da ich naiverweise nicht daran gedacht hatte, dass ein Querschnitt von Liedern wie Bolle reiste jüngst zu Pfingsten bishin zu With a little help from my friends überhaupt nicht mehr zum allgemeinen Kanon unserer Schüler gehören. Das kann man nun bedauern, aber man kann auch erleben wie spontan, originell und erneuernd die heutige Generation ist: Kevin schnappte sich die Texte, Yilmaz verwandelte das Mikro in eine Beatbox und gemeinsam legten sie u. a. ein Recover einer ethnolektisch gefärbten Version von „Hoch auf dem gelben Wagen“ vor, der amüsiert applaudiert wurde. So richtig mitreißen ließ sich die GY08a bei diesem „Battle“ aber nicht und konnte der Dynamik und saloppen Provokation der HBF08 nur mit smarter Zurückhaltung begegnen und war zum rhetorisch virtuosen „Dissen“ gar nicht aufgelegt. Kultur ist wohl nicht nur eine Frage von Nationen oder Migrationshintergrund. Da können siebzig Minuten Busfahrt facettenreich und kommunikativ komplex sein, dachte ich … wenn man hinhört und versucht zu verstehen.
Sabina Mielentz